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"The Great Maddening" - CD



"Imperium Grotesque" - CD

METAL 1

Schau an, in Luxemburg gibt es also nicht nur international berühmte und berüchtigte Chauvis, sondern auch ein paar Musiker der metallischen Zunft. LE GRAND GUIGNOL („Großes Kasperle“) heißt die Vereinigung lustiger Musikanten. Unbekannte sind es aber nicht, vor diesem Album war die Truppe als Vindsval unterwegs und veröffentlichten unter diesem Namen 1999 das Album „Imperial Grotesque“. Selbiges kenne ich aber nicht, somit starten unsere westlichen Nachbarn hier quasi bei Null.

Benannt hat sich die Band nach dem Pariser Theater „Théâtre du Grand Guignol“, welches von 1897 bis 1962 seine Pforten öffnete und als Horrortheater viele Besucher begeisterte. Diese Stimmung will der Fünfer auf CD einfangen und das gelingt ihnen vorzüglich. Ihre eh schon außergewöhnliche Mischung aus melodischem Black, Folk und Gothic Metal verbinden die Luxemburger mit Theater-, Zirkus- und Rummelplatzmusik. Daraus entsteht eine dramatische, symphonische und bombastische Atmosphäre, die sich schon im Intro „Cirqvs L.“ zeigt, in dem sich Dunkelheit und Düsternis mit Fröhlichkeit und Ausgelassenheit duellieren, was hier wir auch in den gesamten 55 Minuten immer unfassbar gut zusammenpasst.

Einen einzelnen Song herauspicken oder herausheben kann man kaum, ich tue es aber trotzdem und wähle „Madness And Her Thousand Young“. Vielleicht ist es mein Albumfavorit, weil ich vor einiger Zeit bereits ein Video zu dem Song sah, vielleicht ist das Stück aber auch einfach nur dermaßen genial, dass es kracht, außerdem vereint er eigentlich alle Stärken der Band. Nach der Einleitung ertönt eine gleichsam schwerfällige wie locker-flockige Melodie, eine opernhafte Frauenstimme legt sich darüber und kurz darauf setzt Frontmann Philip mit krächzig-rauem Organ nach. Schon jetzt ist das Lied ein König, das es mit wahnwitzigen Einfällen, Melodien, Rhythmen und Breaks auch die ganzen sieben Minuten bleibt. Echt, schaut euch das Video an, Leute, da wirst du verrückt.

Zwischendurch übrigens hört man neben vereinzelten Erzählpassagen hier und da ächzende, weinende, wimmernde, angsterfüllte oder schwer stöhnende Menschen. Manch einem scheint diese Vorführung schwer im Magen zu liegen. Übrigens verwenden LE GRAND GUIGNOL auch gerne mal elektronische Verzerrungen für Instrumente und Gesänge, was das ganze noch wahnsinniger macht. „The Healing Process“ etwa bekommt dadurch gar einen kitschig-quietschigen Japano-Anstrich und „Mens Insana In Corpore Insana“ bekommt ein überragendes Ende spendiert.

Nein, an Abwechslung und überwältigender Eigenständigkeit mangelt es „The Great Maddening“ absolut gar nicht. Ein morbid-groteskes Stück großartiger Tonkunst, das manch einen wohl schier zu Verzweiflung bringen könnte. Einmal kurz reinhören bringt übrigens so viel wie Horrorfilme am Strand beim Ballspielen zu schauen. Freunde von verrückter, anderer, überraschender und lange Zeit begeisternder Musik sollten unbedingt zugreifen.
Stefan Popp


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