METALGLORY
Wie gut der Titel des in den Neunzigern
erschienenen Vindsval-Albums „Imperium Grotesque“
doch auf die Kunst der Nachfolgeband Le Grand Guignol zu passen
scheint! Unter neuem Namen nämlich präsentieren sich
die Luxemburger als groteske, burleske, theatralische, verrückte
Metal-Band, die den Hörer vor so manche Herausforderung
stellt. Benannt nach einer berühmt-berüchtigten Theater-Spielart
des Frankreichs im 19. Jahrhundert, macht das Gespann seinem
Namen alle Ehre: Damals waren es nämlich vor allem grausige,
schauerliche und morbide Kabarettstücke, die unter diesem
Banner aufgeführt wurden und den Menschen einen bizarr-entrückten
Grusel präsentiert haben. Bizarr und entrückt geht
es auf „The Great Maddening“ auch zu, und auch diesmal
passt der Titel des Werkes nur zu gut auf den klanglichen Wahnwitz
hinter dem Kris Verwimp-Albumcover: Wahnsinnig ist die Musik
von Le Grand Guignol nämlich gleich auf mehrfache Weise.
Oftmals entströmen den verschachtelten, unvorhersebharen
Kompositionen Töne, die auch aus einem Tim Burtonschen
Zirkuszelt stammen könnten, gerne fühlt man sich auch
in das Varieté der Zwanziger zurück versetzt. Wie
das mit bombastischem Black/Gothic Metal zu vereinen ist, mag
anfangs nicht direkt zu erkennen sein und ist leider auch eine
der Schwachstellen von „The Great Maddening“. Denn
so grenzenlos entrückte und einnehmende Stimmungen die
Luxemburger auf ihren sehr oft ausgedehnten unmetallischen Phasen
kreieren, die sinfonischen Metal-Parts wirken leider des Öfteren
schwächer dagegen. Wenn die Band es schafft, jene theatralische,
verrückt-verspielte Ader auch zwischen den Gitarren und
dem variablen Drumming durchschimmern zu lassen (wie es bei
„Mens Insana In Corpore Insano“), entstehen dabei
wirklich verteufelt gute Experimente burlesken Theater-Metals.
Immer sehr berühmt auf dem Album allerdings der Gesang:
Klare Töne, gesprochene Passagen, geisteskrankes Wimmern,
standesgemäßes Gekreische, diabolisches Wispern,
Chöre…hier wird wirklich einiges geboten und steht
dem grotesken Klangkosmos insofern in nichts nach! Besonders
gut sind Le Grand Guignol jedoch immer dann, wenn sie den Metal
außen vor lassen und ihren wahrlich in ein morbides Wunderland
entführenden Klangcollagen die Herrschaft überlassen.
Schafft die Band nun noch, auch den Metal-Parts jenen genialen
Wahnwitz zu verleihen, könnte uns hier übermenschlich
Gutes bevorstehen. Doch bevor hier ein falscher Eindruck entsteht:
Auch der barock angehauchte Black/Gothic Metal hat hier einiges
zu bieten, er schafft es eben nur nicht, die Klasse des Beiwerks
zu erreichen: „Finis Coronat Opus“ bietet Operngesang,
fieses Gekeife und hymnisch-treibende Riffs, „Lucilnburhuc“
bietet schwarzmetallische Raserei mit packenden Chören,
und den Vogel schießt sowieso „Degenesis“
ab: Kurz vor Ende des Songs verstummt ein Instrument nach dem
anderen, es klingt als würde die Band nach und nach mit
hörbarem Poltern Tod zu Boden fallen. Kurze Zeit später
jedoch betritt jemand anders die Szenerie und nimmt sich des
Spinetts an. Ist hier der Tod am Werk? Wird der Verlauf des
Albums von Toten dargeboten? Mal ehrlich: Wer solch geniale
Ideen hat, verdient wirklich unsere Beachtung. Fans von bombastischen
Black Metal können hier wohl ebenso bedenkenlos zugreifen
wie theatralische Freunde mit leichter Gothic-Ader im Sinne
von Adversus oder Avantgarde-Coinnoserus mit Angizia-Schlagseite.
Björn Springorum
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